Kanyakumari - die Südspitze Indiens

Da gerade kein passender Zug fuhr, nahmen wir den Bus zurück an die Südspitze Indiens, das "Kap-Hoorn" des Indischen Ozeans: Kanyakumari. Wir waren uns zwar nicht ganz sicher, ob das die richtige Entscheidung war, aber wer weiß, ob wir hier überhaupt noch mal wieder hinkommen, also nutzen wir die Chance! In Kanyakumari angekommen wurden wir gleich von etlichen Schleppern empfangen und in ein Hotel gelotst, das von außen den Eindruck eines 4-Sterne Schuppens macht, mit viel Beton zwar und -zig Zimmern, aber halbwegs preiswert und alle Zimmer mit Meerblick. Kanyakumari ist ein typischer Indischer Ausflugsort, besonders zu Vollmond sehr beliebt wie wir bestätigen können, denn es war Vollmond! Das Hotel schien gut gebucht und es war sehr laut. Wir wechselten das Zimmer, zogen ins obere Stockwerk (gegen Aufpreis), hier war es etwas leiser. Aus den Gassen und Tempel des Dorfes drang quäkende Musik aus Trichterlautsprechern zu uns herauf. Gegen Abend füllten sich die Strassen, überall wurden Eßstände aufgebaut, außer uns waren keine westlichen Touristen zu sehen. Wir schlemmten uns durch die indische Fast-Food Küche. Die Sonne neigte sich dem Horizont zu und wir ließen uns von den Menschenmassen mittreiben Richtung Meer. Wir kamen mit einer Familie ins Gespräch, die extra aus Kalkutta mit 12 Personen im Minibus angereist war um heute den Sonnenuntergang und den Aufgang des Vollmondes zu bewundern. Wir bekamen den Tipp, doch noch in Ooty Station zu machen, einem Ort in den Bergen, wo das ganze Jahr ein kühles Klima herrscht und es wunderschön sein soll. Falls Goa ausfällt, entschieden wir, würden wir statt dessen einen Abstecher nach Ooty machen.


Der Tempel auf der vorgelagerten Insel

Sonnenuntergang

Auch wenn der Sonnenuntergang nicht sehr spektakulär ausfiel, waren wir ziemlich überrascht, als alle Menschen sich, nachdem die Sonne gerade im Meer versunken ist, zur gegenüberliegenden Seite umdrehten wo tatsächlich wenige Minuten später der riesengroße Vollmond erschien. Das hatten wir so auch noch nicht erlebt und konnten nun verstehen, daß tausende Inder alle 28 Tage diese Pilgerfahrt hierher auf sich nehmen. Wir genossen noch den Blick auf den Vollmond und das Meer von unserem Balkon aus, wenn auch das Getröte und der Lärm aus den Nachbarzimmern unsere Stimmung drückte. Mit Ohrenstöpseln schliefen wir erschöpft ein. Um halb sechs Uhr morgens polterte es an die Tür: Schlaftrunken machte ich auf: Ob wir eine Zeitung wollten fragte der Hotelboy, sah aber auch gleich ein, daß wir mit einer in Hindu geschriebenen Zeitung wohl nicht viel anfangen könnten, und es sei Sonnenaufgang, und den wollten wir doch wohl nicht verpassen! Alle anderen Hotelbewohner schienen schon auf zu sein, nebenan lief der Fernseher schon auf volle Lautstärke und im Flur wurde ordentlich rumgebrüllt. An Schlaf war nicht mehr zu denken und pünktlich um sechs wurde dann auch die Ortsbeschallung wieder angestellt. Wir flüchteten aus dem Hotel und suchten uns ein etwas abgelegenes kleines Restaurant für ein leckeres indisches Frühstück mit Buri Masala und Milk-Tea, das uns ein wenig besänftigte. Heute war Sonntag und irgendwie schien es noch voller als gestern zu sein, auf jeden Fall wurden noch mehr Trichterlautsprecher aufgestellt und die Musik noch lauter gedreht. Im Dorf war es nicht mehr auszuhalten, Jörn überlegte ernsthaft bei den Lautsprechern unter unserem Hotelzimmer einen Kurzschluß zu verursachen, um wenigstens eine Weile verschont zu bleiben.


Dann sahen wir, daß eine Fähre zu dem vorgelagerten Inselfelsen mit Tempelanlage fuhr, nichts wie hin da! Da war es wirklich schön, Blick auf beide Küstenlinien, den malerischen Ort mit Kirche, Fischerboote, Daus, frischer Wind.... hier konnten wir es aushalten! Wir wurden zwar x-mal angesprochen und um "Familienfoto mit Touristen" gebeten, willigten auch meistens ein, schließlich waren wir unter den tausenden von Touristen fast die einzigen mit weißer Haut. Zu Essen gab es hier nichts, also mußten wir wieder ins Dorf, fanden auch ein nettes Restaurant mit Meerblick und sehr freundlicher Bedienung, die uns erst ziehen ließen, nachdem wir auch wirklich alle Currys durchprobiert hatten und zwar zweimal. Als wir die Kirche besichtigen wollten kam gerade in dem Moment eine Hochzeitsgesellschaft heraus und zog mit viel Getrommel und Getröte durchs Dorf. Gegen 14 Uhr verstummten alle Lautsprecher und wir nutzten die Chance für eine kurze Siesta im Hotel um wenigstens ein wenig Schlaf nachzuholen. Als dann nach einer Stunde aber wieder alle Lautsprecher voll aufgedreht wurden hatten wir die Nase voll: Wir gingen schon mal zum Bahnhof und erkundigten uns nach Zügen Richtung Norden für morgen früh. Danach sind wir noch mal auf die Felseninsel und fanden im Tempel sogar einen Raum, in dem nicht gesprochen werden durfte, was für eine himmlische Ruhe! Wir blieben bis zum Schluß auf dem Felsen, bei der Rückfahrt mußten auf einmal Männer und Frauen getrennt gehen und sitzen. Plötzlich kam ein Mann schüttelte Jörn heftig die Hand... und ging wieder ohne ein Wort... Indien ist immer voller Überraschungen und vieles nicht zu begreifen.


Hochzeitsgesellschaft

Familienfoto mit Touristen
Nach ein paar Snacks auf dem Nightmarket verzogen wir uns in unser Zimmer. Auf dem Balkon sitzen ging nicht, es war einfach zu laut. Wir stopften uns Ohrenstöpsel in die Ohren, versuchten zu schlafen. Es ging nicht, heute schien noch mehr Lärm zu sein, von draußen, von rechts, von links, oben und unten und ganz besonders vom hallenden Flur, wo die Hotelangestellten sich lauthals von einem Stockwerk zum anderen unterhielten, und das mitten in der Nacht! Wir bekamen langsam den Hass! Wir können Hitze und Gestank ertragen aber dieser Lärm ist nicht auszuhalten! Als um zwölf Uhr Mitternacht endlich der Tempel unter uns seine Lautsprecher abstellte, hatten wir Hoffnung auf ein paar Stunden Schlaf, aber nein, der Tempel gleich nebenan zelebrierte nun seine Mitternachtsmesse, die noch bis weit nach zwei Uhr ging. Dann endlich ist es etwa zwei Stunden ruhig bis mitten in der Nacht unsere Nachbarn ins Zimmer gepoltert kamen und als erstes den Fernseher voll aufdrehten. Das war es dann wohl... Ruth bekam einen Nervenkoller, sie mußte alle fünf Minuten auf die Toilette, ihr wurde schlecht und sie wollte nur noch weg hier, schwörte sogar, nie wieder nach Indien zu fahren, nächstes Mal lieber nach Teneriffa oder Mallorca. Als dann um halb fünf alle Motorboote starteten, alle Hähne krähten und kurz darauf die Ortsbeschallung wieder einsetzte, packten wir unsere Taschen und flüchteten zum Bahnhof. Dort war zwar auch schon Trubel aber wenigstens lief hier nicht diese grauenhafte Musik und wir konnten hoffen, diesen Ort bald verlassen zu können. Um halb sieben kam unser Zug, wir fanden eine freie Sitzbank und schliefen auf den harten Bänken trotz schaukelndem Zug sofort ein.
Wäre nicht gerade Vollmond gewesen, wäre es wahrscheinlich weder so voll noch so laut gewesen und unser Abstecher wäre vielleicht sogar ein Highlite dieser Reise gewesen, denn ansonsten hat es uns hier schon gut gefallen. Nun ging es aber erstmal wieder Richtung Norden...

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