Von Mahabalipuram nach Pondicherry

Am nächsten morgen stehen wir schon um 7 Uhr am Busbahnhof und erwarten den Bus Nr.188, angeblich sollte der früh morgens losfahren, aber er kommt nicht. Es ist ja ganz interessant auf dem Marktplatz zu sitzen, das hektische Treiben zu beobachten und alle möglichen Busse ein- und abfahren zu sehen außer Nummer 188. Mehrmals fragen wir nach und nach 2 Stunden Wartezeit kommt er endlich angebraust. Wir gleich reingestürmt, einen der letzten Sitzplätze ergattert und freuten uns auf eine neue Stadt, eine neue Etappe. Komisch nur, daß der Bus Richtung Madras fuhr, nach 10km fragten wir beim Fahrer noch mal nach: Nein, nicht nach Pondicherry, nach Madras fahren wir! Wir ärgerten uns fürchterlich, hätte wir doch nur vorher beim Fahrer gefragt.. sollen wir auf freier Strecke aussteigen, mit dem Taxi zurück nach Mahabalipuram? Und dann wieder warten....? Nun merkte auch der Busboy, daß der Bus die falsche Nummer trug und drehte das Schild mit der 188 um. Egal, dann sehen wir uns eben noch ein wenig Madras an, vielleicht sollte das ja so sein, kann ja auch ganz schön sein, Großstadtluft, Bazare, Märkte... doch als der Bus in die Stadt einfuhr steckten wir auch schon im Stau. Die Luft war katastrophal, blaue Nebelschwaden von tausenden von Mopeds und Tuk-Tuks, rußige Dieselwolken, Hupen, Dröhnen, Quietschen und laute Musik und Menschen, Menschen, Menschen.. es war inzwischen schwül heiß, der Bus kam überhaupt nicht mehr voran und alles sah gleich aus, die Strassen gesäumt von kleinen Verkaufsständen, Menschen auf den Gehwegen, liegend, sitzend, schlafend, Schutt und Müll überall, überall Baustellen und zwischendurch Kühe mitten auf der Strasse. Wir waren total abgenervt, hier wollen wir nicht bleiben, hier wollen wir ganz schnell wieder raus!


Madras, rein und schnell wieder raus...

Unser Traumhotel in Pondicherry

Nach nicht enden wollender Busfahrt endlich auf dem Busbahnhof angekommen, Menschenmassen, Geschrei, Hektik, Busse über Busse, unleserliche Ziele angeschrieben, wir fragen uns schon fast verzweifelt durch, glauben kaum noch daran einen Bus nach Pondicherry zu finden und stehen plötzlich vor ihm, "Nr.188 Pondicherry" steht dran, trotzdem fragen wir noch zweimal nach, ja, er fährt gleich ab! Bei der Abfahrt wird die Musik zwar auf volle Lautstärke gedreht, unsere Nerven sind aber bereits wegen Reizüberflutung lahmgelegt und so ertragen wir auch diese fast 4-stündige Busfahrt im Kamikazestil mit ständigem ohrenbetäubendem Gehupe in stoischer Nichtbeachtung aller Gefahrenmomente und durch ständige Wiederholung unseres Mantras: es kann nur besser werden! Die ersten Zweifel an unserer Unternehmung tauchen allerdings auf: Das soll Urlaub sein, wäre ein schöner pauschaler Strandurlaub nicht doch besser gewesen? Endlich am Busbahnhof von Pondicherry angekommen drängeln sich gleich 8-10 Rikschafahrer um uns, aber sie sind ganz nett und wir haben viel Spaß mit ihnen und einigen uns mit zweien auf einen annehmbaren Preis zum Park-Guesthouse, das wir uns aus dem Reiseführer herausgesucht hatten. Dort angekommen glauben wir unseren Augen nicht, es ist das Sri Aurobinda Ashram Guesthouse, sieht aus wie ein drei-Sterne Hotel mit gepflegtem Garten, große saubere Zimmer mit Balkon und Meerblick, blütenweiße Bettwäsche, für Indien und diese Preisklasse ( 10 Euro) völlig ungewöhnlich. Wir kriegten uns nicht wieder ein! Dafür unterschrieben wir gerne bei der Rezeption, daß wir keinen Alkohol im Zimmer trinken und keinen Radau machen würden.

Nach einer ausgiebigen Dusche sind wir abends noch in die Stadt, wir haben Hunger! Wir glaubten gar nicht in Indien zu sein, Parks, Radfahrer, keine stinkigen Tuktuks, gutgekleidete Leute, kein Müll, keine Kühe und erstmal auch keine Restaurants. Wir mußten lange laufen, bis wir was fanden, aßen mal wieder Masala, wir könnten jetzt auch mal wieder was anderes vertragen. Dann entdeckten wir die Einkaufsstrassen, da war so viel Betrieb, daß wir nach einer Stunde erstmal an die mediterran anmutende Promenade flüchteten und uns einen echten Luxus gönnten: Eis und Popcorn. Es tat so gut die frische Meeresbrise einzuatmen nach all den Abgasen und Strapazen des Tages. So gut wie hier werden wir es so schnell nicht wieder haben, also bleiben wir ein paar Tage länger....?
Am nächsten Morgen gab es ein schönes Frühstück im picobello sauberen Speisesaal und anschließend mieteten wir uns im Hotel zwei Fahrräder. Es war inzwischen sehr heiß geworden und wir genossen den Fahrtwind bei einer Radtour durch die Stadt, mehrere kleine Dörfer bis zur futurustischen Anlage von Auroville. Das Projekt "Auroville" ist eine ursprünglich für 50000 Menschen geplante "universelle" Stadt in Form einer Spiralgalaxie um den Zentralbereich mit dem Meditationstempel "Matrirmandir". Es befindet sich noch im Stadium einer Experimentalstadt und hat heute etwa 1800 Einwohner aus über 40 Nationen, davon ca. 700 Inder und etwa 230 Deutsche. Es stellt den kollektiven Versuch der Realisierung einer Stadtutopie dar, mit neuen Wohn- und Lebensbedingungen zu experimentieren.


Im Zentrum von Auroville erhebt sich das Matrimandir, bei unserem Besuch noch Baustelle

Jörn mit Moped vor Gandhi-Denkmal

Es dämmerte schon als wir mit unseren Fahrrädern wieder nach Pondicherry kamen. Abends ging das Leben hier erst richtig los: Alle gehen einkaufen, alle wollen etwas verkaufen, so ein vielseitiges Treiben haben wir bisher selten erlebt, wir können gar nicht alles mitbekommen was um uns herum passiert geschweige denn verarbeiten. Jörn traut sich zum Frisör und auch das ist wieder ein Erlebnis der besonderen Art: Wieselflink wird mit viel "Schnippeldischnapp" die Frisur gestutzt, dann mit dem ultrascharfen Rasiermesser 2x rasiert, dann gibt es noch diverse Wässerchen und Puder ins Gesicht und eine kleine Kopf- und Nackenmassage und das alles für den Gegenwert von etwa 80 Cent. Dann finden wir noch den Markt wo das ganze Treiben nochmals eine Steigerung erfuhr, nun waren unsere Aufnahmespeicher randvoll und wir verzogen uns wieder in unser schönes ruhiges Ashram-Hotel und genossen die Ruhe auf unserem Balkon mit Meerblick. Am nächsten Morgen erkundigten wir uns an der Rezeption nach einem Motorrad und ein Hotelboy war prompt bereit uns seinen Roller zu vermieten. Nach dem Frühstück sind wir dann einfach in irgendeine Richtung drauflos gefahren, die Strassen waren recht gut, wir fuhren an Reisfeldern, Palmenwälder und kleinen Dörfern vorbei, machten Fotos von freundlich winkenden Bauern und der fantastischen Landschaft.


Schließlich kamen wir in eine Kleinstadt mit einer beeindruckend grossen Kirche. Auf dem Schulgelände nebenan mit offenen "Klassenzimmern" machten wir Rast, beobachteten die braven Schüler und Schülerinnen beim Unterricht und wollten gerade ein paar Fotos schießen, als die Schulklingel ertönte.
Es war Schulschluß und nun gab es kein Halten mehr für die Kinder: zunächst kamen einzelne angestürmt und bedrängten uns mit den üblichen Fragen: Whats your name, where do you come from usw. ... dann kam der ganze Rest hinterher und wir befanden uns inmitten einer Meute von über 100 Kindern, die es nicht bei der Frage nach Pen und Bonbon beließen, sondern auch gleich selbst in unsere Rucksäcke schauen wollten und anfingen unser Moped zu zerlegen. Da auch kein Lehrer dem Treiben Einhalt gebot, half nur die Flucht nach vorn, schnell aufs Moped und laut hupend eine Weg durch die lieben Kleinen bahnen und erstmal einige Kilometer Abstand gewinnen, denn auf den ersten 500m wurden wir noch hartnäckig verfolgt.



Noch sind sie ganz lieb...




Sieht zwar nicht so appetitlich aus, war aber einfach nur lecker!
Also ab in die nächste Kleinstadt. Ein nettes Restaurant nebst seiner Besitzer lacht uns an und da wir auch ganz schön hungrig sind nehmen wir Platz, bekommen zwei Bananenblätter als Teller, einen Riesenberg Reis und aus dem großen Eimer die tollsten Currys aufs Blatt. Inzwischen schmeckt uns das Essen mit den Fingern besser als mit Besteck und wir lehnen die angebotenen Löffel dankend ab, was uns einen respektvollen Blick des Oberkellners einbringt. Als wir eigentlich gerade satt sind und auf seine Frage nach "more?" mit Kopfschütteln reagieren gibt es noch mal einen großen Berg Reis und Currys... puh, wie sollen wir das schaffen? Wir trauen uns nicht, das Essen stehen zu lassen und verdrücken nun in aller Ruhe auch noch diesen Berg. Es gelingt uns auch nicht, den Nachtisch abzulehnen und so werden wir noch mit Joghurt und Pudding gemästet. Auch hier verirrten sich offensichtlich nur sehr selten Touristen hin, denn wir wurden die ganze Zeit von allen Angestellten und Gästen interessiert beobachtet, das war echte Erlebnisgastronomie! Bezahlt haben wir dann ungefähr € 1,30 für alles! Nachmittags sind wir dann wieder gemütlich übers Land getingelt, abends auf den Markt, ein paar Snacks und schon mal die Weiterfahrt geplant. So schön es hier auch ist, wir haben ja noch eine ganze Menge vor und entschließen uns, morgen früh gleich den Bus in die nächste Großstadt Tiruchchirapalli (kurz Trichi genannt) zu nehmen.
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